Zwischen hohen Schutzzäunen führt die Straße über die Blombacher Bach Brücke. Mehrere Autos und Radfahrer fahren gerade über die Brücke.

Deppen, die von Brücken springen

Um Deppen – ja, es sind Deppen, auch wenn sie selbst das nun ungern hören wollen – von Brücken in öffentliche Gewässer springen zu sehen, muss ich nicht zum Biggesee oder ins Ruhrgebiet an die Kanäle fahren, wie es der WDR in seinem Artikel schreibt:

Brückenspringen

Brückenspringen: Darum ist das so gefährlich – Nachrichten – WDR

Die gibt es auch hier bei mir vor der Haustür. Seien es die relativ niedrigen Brücken über den Beyenburger Stausee, die Kräwinklerbrücke über die Wuppertalsperre, oder nicht weniger gefährlich die Steilklippen an der Bevertalsperre.

Beeindrucken

Jedes Jahr, wenn das Wetter und das Wasser wärmer werden, kommen sie und springen da runter. Zumeist Jugendliche und junge Erwachsene. Früher, um die am Ufer stehende Freundin zu beeindrucken, heute mit der ActionCam in der Hand, um die ganze Welt zu beeindrucken oder doch wenigstens ein paar Likes in sozialen Netzwerken zu ergattern. Und die wenigsten wissen, wo sie da eigentlich hinspringen – erst recht nicht die Ortsfremden, die im Urlaub hierherkommen.

Sowohl die Kräwinklerbrücke als auch die Steilklippen der Bever haben, zumindest bei Vollstau der beiden Talsperren, das „Flair“ eines Zehnmeterturms im Freibad. Nur mit dem feinen und gefährlichen Unterschied, dass man im Gegensatz zum Freibad, weder vier Meter garantierte Wassertiefe hat noch durch das Wasser bis zum Boden sehen kann.

Wuppertalsperre

An der Wuppertalsperre kann man im Sommer knappe 30 Zentimeter tief im Wasser noch was erkennen. An der Bever ist es meist ein wenig mehr. Aber den Boden sieht man auch da nicht und auch nicht das, was zwischen Oberfläche und Boden so rum liegt.

Unter der Kräwinklerbrücke lagen vor dem Anstau der Wuppertalsperre außer der Wupper eine Landstraße mit eigener Brücke über die Wupper, das Gleisvorfeld des Bahnhofs Kräwinklerbrücke und Teile des Stahlwerks Urbach. Und das alles in keineswegs komplett abgebaut worden.

In dem Bereich befand sich auch ein Steinbruch und zum Teil liegen davon noch Steine unter Wasser herum. Und Steine meint in diesem Fall nicht irgendwelche kleinen Kiesel.

Bei niedrigem Wasserstand werden an der Wuppertalsperre große Felsen sichtbar, die bei höherem Wasserstand, am Ufer dicht unter Wasser große Gefahren bergen.
| Canon EOS 500D | | 130 mm | f/13 | ISO 1600 | 1/500 s | 2011-07-09 19:00 |

Und es ist auch keineswegs so, dass die Wassertiefe dort Wupper-abwärts Richtung Damm immer größer wird. Wäre das der Fall, würde da bei sinkendem Wasserstand im Sommer kaum eine Insel auftauchen.

Bei niedrigem Wasserstand kommt in der Wuppertalsperre nahe Kräwinklerbrücke eine Insel zum Vorschein
| Canon EOS 500D | | 119 mm | f/11 | ISO 800 | 1/400 s | 2011-07-09 18:10 |

Bevertalsperre

Die Steilklippen an der Bevertalsperre gehen an ihrem Fuß auch nicht bis zum Grund des Seitenarms, in welchem sie liegen. Denen ist in vergleichsweise geringer Tiefe ein waagerechtes Plateau vorgelagert. Wenn die Bevertalsperre randvoll ist, reicht die Wassertiefe gerade zu einem halbwegs sicheren Springen. Aber wenn da nur zwei Meter Wasser raus sind, wird das Wasser da gefährlich flach.

Wissen tun das die Menschen, die hier leben und die die Bevertalsperre auch mit sehr niedrigem Wasserstand kennen. Aber diese Klippen liegen dummerweise eingerahmt von mehreren Campingplätzen, wo sich im Sommer viele Leute aufhalten, die eben nicht von hier sind.

Kaum zu verhindern?

Im Artikel des WDR heißt es dazu: „Auch in Zukunft werden es trotz allem Menschen tun, zu kontrollieren und verhindern sei es kaum“. Das es nicht zu verhindern ist, ist falsch. Korrekt müsste es heißen, dass es den Verantwortlichen zu teuer ist es zu verhindern.

Warum kann man überhaupt von einer Brücke springen? Nun, in erster Linie deshalb, weil die nur ein hüfthohes Geländer hat, welches man problemlos übersteigen kann. Aber wo bitte steht eigentlich geschrieben, dass eine Brücke nur ein hüfthohes Geländer haben darf?

Auf das Geländer kommt es an

Richtig ist: Dieses Geländer ist vorgeschrieben. Aber da steht nirgendwo, dass die Brücke nicht auch noch besser abgesichert sein darf. Und eine Brücke entsprechend zusätzlich zu sichern, ist vergleichsweise einfach. Ein gutes Beispiel dafür ist die Blombachtalbrücke über die Autobahn A1 zwischen Remscheid und Wuppertal.

Hohe Gitter auf der Blombach Talbrücke schützen die darunter verlaufende Autobahn 1 bei Wuppertal
| Huawei P30 Pro | 5.56 mm | f/1.6 | ISO 50 | 0.000447 s |

Die Brücke ist auf diese Weise abgesichert – und damit eigentlich noch einfacher abgesichert, als sie es noch in den 90er Jahren war – weil sie sich in ferner Vergangenheit, vor ihrer zusätzlichen Absicherung, einer großen Beliebtheit bei suizidalen Brückenspringern erfreut hat, welche, „um auf Nummer sicher zu gehen“, auf die Autobahn gesprungen sind, damit sie, sollten sie den Sprung überleben, dort noch zusätzlich überfahren werden.

Nicht schön, aber sicher

Gut, diese Gitter sind jetzt auf den ersten Blick nicht gerade ästhetisch und sie behindern auch ein wenig die Sicht von der Brücke auf die Landschaft. Aber wo bitte steht geschrieben, dass man von einer Brücke eine ungetrübte Aussicht haben muss und dass eine Brücke über eine Straße, eine Autobahn, eine Eisenbahnstrecke oder eben einen Kanal, Fluss oder See nur ein hüfthohes Geländer haben darf und keines, was drei bis fünf Meter hoch ist? Richtig, das steht nirgendwo.

Könnte man alle Brücken so ausstatten? Klar könnte man das. Warum man es nicht macht? Nun, weil es kostet. Entsprechende Gittermatten machen rein vom Material her mehrere tausend Euro aus. Und dazu noch mal mehrere tausend Euro für die Montage. Irgendwas zwischen zehn- und hunderttausend Euro kommt da je nach Brücke in Summe bei raus.

Was nicht muss, braucht auch nicht…

Der zweite Punkt ist: Da es keine Vorschrift gibt, dass solche Gittermatten nicht installiert sein dürfen, gibt es auch keine die besagt, dass sie installiert werden müssen.

Und weil sie nicht installiert werden müssen, installiert sie auch keiner. Das Geländer, das muss. Und das kommt auch hin. Hüfthoch. Gerade so hoch wie vorgeschrieben. Und selbst wenn die Brücke mit Gittern nachgerüstet wird, bleibt das Geländer auch stehen. Das ist Vorschrift. Mehr Sicherheit aber leider nicht.

Keine Kennzahl

Warum? Nun, in erster Linie, weil diese Sicherheit im Speziellen, ebenso wie andere Sicherheit im Allgemeinen ein Problem hat: Sicherheit kann man nicht in Kennzahlen stecken, man kann sie nicht messen. Messbar wird Sicherheit erst dann, wenn es keine gibt und dann was passiert.

Klar, gibt es da so einen Stahlgitterzaun an einer Brücke, dann kann da weder jemand in suizidaler Absicht runterspringen noch zur sommerlichen Erfrischung, so denn die betreffende Brücke über einen Kanal, Fluss oder See führt. Auch kann da niemand einen schweren Stein runterwerfen, um etwa einen Autofahrer zu verletzten oder eine Bahnstrecke zu sabotieren.

Einen solchen Zaun aufzubauen, könnte also Gesundheit und Leben retten. Aber messbar wird das halt eben erst, wenn eben jemand einen großen Stein runterwirft und jemand auf der Straße darunter verletzt oder tötet oder auch wenn jemand in den See darunter springt und sich selbst verletzt oder stirbt.

Leben retten lohnt sich nicht?

Aber selbst, wenn so etwas passiert und die (fehlende) Sicherheit hiermit eine numerische Kenngröße bekommt, wird dann erst mal eine Rechnung aufgemacht nach dem Motto: Jedes Jahr gehen hunderttausend Menschen über die Brücke und nur einer wirft einen großen Stein runter, der auch wirklich jemand trifft und verletzt oder tötet. Oder: Von den hunderttausend Badegästen jedes Jahr am See springen nur 20 von der Brücke und in neun von 10 Jahren verletzen sich da Null von. Und das Ergebnis davon ist:

Der eine, der hier wirklich schwer verletzt werden oder zu Tode kommen könnte, der ist den (finanziellen) Aufwand schlicht nicht wert.

Perverse Welt im Großen…

Was für eine perverse Welt. Da bezahlen vier Deppen ein halbes Vermögen dafür, sich mit einem „Piloten“ in eine bessere Coladose einschrauben zu lassen, um mit diesem auf den ersten Blick schon mehr als fragwürdig aussehenden Gefährt zur Titanic zu tauchen, um dort aus welcherlei schwachsinnigen Gründen auch immer, die Totenruhe der Titanic-Opfer zu stören und gehen dabei, dass sie sich nicht nur freiwillig, sondern noch gegen fette Bezahlung in Lebensgefahr begeben dürfen, verloren.

Tauchboot „Titan“ in Trümmern: Was ist passiert? – Nachrichten – WDR

Und prompt läuft da eine riesige Rettungsmaschinerie an, mit fetten Schiffen nebst Tauchrobotern und Spezialflugzeugen, zu Kosten von mehreren Millionen Euro und keiner stellt auch nur die Frage, wer das am Ende bezahlt. Und das wohlgemerkt für Menschen, die sechsstellige Beträge dafür bezahlt haben, sich überhaupt in diese Lebensgefahr begeben zu dürfen.

… wie im Kleinen

Und es muss nicht mal so was Großes sein. Wenn jemand hunderten Warnungen zum Trotz, von einer Brücke in einen See oder Kanal springt, untergeht und nicht mehr auftaucht, dann ist plötzlich alles Geld der Welt da, damit DLRG und Feuerwehr mit Booten und Tauchern und die Polizei mit einem Hubschrauber anrücken können, um sich auf die Suche zu begeben. Allein der Polizeihubschrauber-Einsatz kostet einen fünfstelligen Betrag.

Rechenfehler

Aber, sagen wir mal, einen anderen, fünfstelligen Betrag von um die 50.000 Euro, um einen Gitterzaun auf eine Brücke zu stellen und damit zu verhindern, dass irgendein psychisch durchgeknallter in irgendeiner Wahnvorstellung in Tagen, Wochen oder Monaten einen 10kg Stein da runter wirft und einen völlig ahnungslosen Autofahrer tötet und damit einem anderen Menschen den Partner, den Vater oder die Mutter nimmt, da haben wir ebenso wenig Geld für, wie dafür, einen solchen Zaun auf eine Talsperrenbrücke zu stellen und zu verhindern, dass ein leichtsinniger Jugendlicher da herunter ins Wasser springt, ohne überhaupt zu wissen, was die Talsperre da so alles unter ihrem angestauten Wasser begraben hat, und dabei draufgeht.

Armes Deutschland

Mit dem, was die Suche nach dem einen an der Stelle am Ende gekostet hat, hätte man auf dieser und ein oder zwei anderen Brücken einen Zaun montieren können, der diesen tragischen Unfall verhindert hätte – und noch weitere verhindert, die da in Zukunft, ungesichert, gewiss noch passieren werden und bei der Suche im Anschluss wieder Unsummen kosten werden.

Wenn also ein Kind in einen Brunnen fällt, mobilisiert die Gesellschaft alles Geld der Welt, um es wieder rauszuholen. Aber selbst danach und vor allem nicht davor, hat das deutlich wenigere Geld, ein Sicherheitsgitter auf den Brunnen zu montieren. Oh, armes Deutschland!