ÖPNV – Am Arsch der Welt

Am Arsch der Welt

Bis Mitte der 1990er war die Welt ja hier noch halbwegs in Ordnung. Da gehörte Radevormwald nämlich noch zum VRR. Gut, räumlich gesehen gehört Radevormwald zum Oberbergischen Kreis und der Oberbergische Kreis gehört komplett zum VRS – das war auch damals schon so. Aber wenn man nicht gerade wegen irgendwelcher Behördengänge in die Kreisstadt Gummersbach oder zumindest nach Hückeswagen musste, dann gab es eigentlich keinen Grund in dieses VRS-Gebiet zu fahren. Einkaufen konnte man einfacher und schneller haben, wenn man nach Remscheid oder Wuppertal gefahren ist, zwei Orte, welche beide zum VRR gehörten und immer noch gehören.

Schon damals hatte der VRR nur die vier Hauptpreisstufen A-D und mit einer Monatskarte der Preisstufe D stand einem der gesamte VRR-Raum offen. Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Oberhausen, selbst Venlo, überhaupt kein Problem. Ging alles mit der Monatskarte. Nicht Streckengebunden. Einfach frei Schnauze, heute hierhin, morgen dorthin. Alles kein Problem.

Nicht zuletzt hatte ich deswegen damals überhaupt eine Monatskarte der Preisstufe D. Rein von den Pflichtfahrten her hätte die Preisstufe B gereicht. Aber die Möglichkeit, nach Feierabend statt nach Hause, einfach mal drauf los zu fahren und insbesondere an den Wochenenden Ausflüge ins Ruhrgebiet zu machen, hat den Mehrpreis gelohnt. Und selbst wenn man denn man ins Oberbergische musste, was selten genug überhaupt der Fall war, war das Dank der Übergangstickets des VRR überhaupt kein Problem.

Neuer Verbund – Chaos pur

Dann aber wurde Radevormwald VRS, vielleicht des Kreises wegen, keine Ahnung warum eigentlich. Seither jedenfalls ist die diese Reisefreiheit vorbei. Düsseldorf ist das höchste der Gefühle, was mit einem VRS-Übergangsticket so gerade eben noch geht.

Klar könnte man jetzt mit einer VRS-Monatskarte der höchsten Preisstufe (7) alternativ den ganzen VRS-Raum befahren. Aber wozu? Die zum Einkaufen oder für große Veranstaltungen einzigen, lohnenden VRS-Städte sind Köln und Bonn. Und mit Verbindungen hier … na ja.

Bessere Anbindung – Fehlanzeige

Der Wechsel von Radevormwald in den VRS hat leider nicht dazu geführt, dass Radevormwald nun besser an den VRS angebunden wäre. Die Verbindungen in den VRS-Raum sind die gleichen wie früher. Wobei Verbindungen schon übertrieben ist. Es gab und gibt nämlich nur eine – gegenüber drei Verbindungen in den VRR, damals wie heute und eine in den Westfalen-Tarif, an den Radevormwald ebenfalls direkt angrenzt.

Die einzige VRS-Verbindung in Radevormwald, ist die Linie 339 nach Hückeswagen. Die fuhr und fährt noch heute eher selten. Und wenn sie heute fährt, so fährt sie oft nur als Anruf-Sammel-Taxi – mit max. 8 Plätzen. Wer also von Radevormwald aus in den Oberbergischen Kreis und damit in den VRS fahren will, der muss Umwege einplanen.

Prinzipiell gar nicht so das Problem. Das man überhaupt mal diese überörtlichen Behörden braucht, kommt vielleicht zwei, drei Mal im Jahr vor. Natürlich könnte man vielleicht auch mal zum Einkaufen in die Kreisstadt fahren. Aber was soll man sich zwei Stunden in einen Bus nach Gummersbach setzen, wenn man in Remscheid oder Wuppertal – beides mit dem ÖPNV in knapp einer Stunde erreichbar – eh ein besseres Angebot findet.

Umwegempfehlungen

Viele überörtliche Behörden sind in der Kreisstadt Gummersbach. Natürlich Oberbergischer Kreis und damit genauso VRS wie Radevormwald. Dennoch ist die zumeist von der Fahrplanauskunft des VRS vorgeschlagene, beste, Verbindung die, auf der man von Radevormwald aus erst mit dem VRR-Bus Linie 671 nach Remscheid-Lennep fährt, um dann von dort aus mit der VRS-Linie 336 bis Gummersbach zu fahren.

Dass man mit der 339 nach Hückeswagen fährt und dort die ebenfalls durch Hückeswagen fahrende 336 erwischt, ohne elend lange warten zu müssen, eher selten, insbesondere, weil die 336 nicht wartet, falls die 339 bzw. das Taxi der Linie mal spät dran ist.

Alternativ wird, je nach dem wann man denn in Gummersbach sein will oder muss, auch gerne die Verbindung vorgeschlagen, auf der man von Radevormwald mit dem Westfalen-Bus Linie 134 nach Lüdenscheid-Brügge in den Westfalen-Tarif fährt und dort in die Regionalbahn 25 nach Köln-Hansaring umsteigt, die ebenfalls in Gummersbach hält.

Ein teurer Spaß

Klingt soweit durchaus spaßig, wäre da nicht ein großes Problem: Der Preis.

  • Einzelfahrt Radevormwald (VRS) nach Gummersbach (VRS), Linie 339, 336, ohne das VRS-Gebiet zu verlassen: VRS Regio-Tarif Preisstufe 4: 8,60 € – Fahrtdauer: 1 Stunde 17 Minuten.
  • Einzelfahrt Radevormwald (VRS) nach Gummersbach (VRS), Linie 671, 399 über Remscheid-Lennep (VRR): VRS Regio-Tarif Preisstufe 5: 12,50 € – Fahrtdauer: 2 Stunden 3 Minuten.
  • Einzelfahrt Radevormwald (VRS) nach Gummersbach (VRS), Linie 134, RB25 über Lüdenscheid-Brügge (Westfalen-Tarif): NRW-Tarif: 13,30 € – Fahrtdauer: 1 Stunde 59 Minuten.

Wer bitte kommt sich da denn nicht völlig verarscht vor? Startort und Zielort im gleichen Verkehrsverbund und eben dieser Verkehrsverbund selbst empfiehlt mit seiner Fahrplanauskunft Umwegverbindungen, die über 50% teurer sind, die man je nach Termin aber auch nehmen muss, sind Verbindungen doch in der Regel überhaupt nur einmal die Stunde möglich.

Betrachtet man nur die Direktverbindungen, hat man für einen 10:30 Uhr Termin in Gummersbach die Wahl, ob man und 09:19 oder erst um 10:47 ankommen will. Liebäugelt man damit um 10:20 in Gummersbach zu sein, bleibt nur die teuerste Umwegverbindung.

Der Rückweg – genauso schlecht

Und der Rückweg sieht genauso aus. Bei nur zwei Hin-/ Rückfahrten im Monat, ist das D-Ticket allein auf dieser Verbindung schon ein Schnäppchen – ganz abgesehen davon, dass man die restlichen Tage da noch mehr von hat.

Ich bin früher gerne mit Bus und Bahn gefahren, als Radevormwald noch VRR war. Aber dieser dämliche Verbundwechsel der Stadt, zusammen mit dem damit einhergehenden Tarif-Chaos hat mich vor 23 Jahren dazu bewogen, mir wieder ein Auto zuzulegen.

Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Verbindungen besonders am Abend noch schlechter werden, als sie es am Tag teils schon sind. Ob das D-Ticket da was rausreißen kann, bleibt mal abzuwarten. Es wird das ganze zwar tariflich einfacher machen. Aber ich bezweifle, dass deswegen auch nur ein Bus mehr fahren wird.

Gummersbach geht noch

Der Oberbergische Kreis ist groß. Und so wenig Mühe sich die OVAG, die kommunal getragene Verkehrsgesellschaft des Oberbergischen Kreises, schon gibt, den nördlichsten Ort an die Kreisstadt anzubinden, wird es mit noch weiter entfernten Orten nicht wirklich besser.

Gehen wir mal vom Extrem aus. Radevormwald, nördlichste Stadt im Oberbergischen Kreis, Morsbach, südlichste Stadt im Kreis, Entfernung, Luftlinie 45km – klingt lächerlich. Aber hey, Gummersbach ist Luftlinie nur 24km weg und schon bescheiden verbunden.

Sollte man da wirklich mal hinwollen, heißt die Devise Früh fahren. Im Schnitt sitzt man da drei Stunden im Bus. Wer als um 10 Uhr abfährt, kommt erst nach Mittag, bei 13 Uhr, da an. Zurück geht nach 20 Uhr gar nichts mehr.

Jetzt wird es richtig bekloppt

Und selbst die letzte Verbindung davor, nimmt laut VRS-Fahrplanauskunft schon ziemlich bekloppte Formen an, ist der Vorschlag für diese Verbindung doch der, 19:04 Uhr von Morsbach erst mit dem Bus nach Wissen an der Sieg zu fahren, von dort den Regionalexpress RE9 Richtung Aachen bis Köln Messe/Deutz zu nehmen, annähernd eine Stunde an dem Bahnhof rum zu sitzen, dann mit dem Regionalexpress RE7 Richtung Münster bis Wuppertal-Oberbarmen zu fahren, um dann von dort aus den Bus 626 nach Radevormwald zu nehmen.

Drei Stunden, 54 Minuten, 160km Fahrstrecke. Mit den Tickets des VRS geht diese Verbindung gar nicht. Selbst mit dem NRW-Tarif ist diese Verbindung nicht drin, denn Wissen (Sieg) liegt nicht in NRW, sondern in Rheinland-Pfalz. So kann einem die Fahrplanauskunft dann auch nicht mal sagen, was der Spaß denn eigentlich kostet.

Kein wirkliches Wunder, dass der Oberbergische Kreis für die meisten Leute, die man im nördlichen Teil fragt, nach Süden hin mit Gummersbach und Engelskirchen aufhört…