Auf einem Tisch steht ein Teller mit zwei geschmierten Broten mit Grafschafter Rübenkraut und Karamell. Dahinter stehen die Dosierflaschen von Grafschafter Goldsaft und Karamell.

Rübenkraut

Auch hat zeigte sich schon vor langer Zeit, dass ich anders bin als andere. Früher vor allem anders als die anderen Kinder in der Grund- und auch den weiteren Schulen. Denn die anderen Kinder haben, insbesondere was die Pausenbrote angeht, Nutella regelrecht glorifiziert. Ich dagegen fand das Zeug stets bäh.

Pausenbrote

Was Süßes auf dem Pausenbrot angeht, war bei mir nie Nutella drauf. Wenns schon schokoladig sein sollte auf meinem Pausenbrot, waren meine Favoriten Eszet-Schnitten und diverser „Hagelslag“ und „Vlokken“ aus dem Hause De Ruijter, welche immer reichlich aus dem Holland-Urlaub mitgebracht wurden.

Wenn es weniger schokoladig und eher würzig-süß sein sollte, was bei mir die meiste Zeit der Fall war, fand sich auf meinen Broten entweder Honig oder aber – zumeist – Rübenkraut. Solange ich mich zurück entsinnen kann – und ist inzwischen fast ein halbes Jahrhundert – hat das kleine gelbe Töpfchen von Grafschafter nie auf meinem Frühstückstisch gefehlt.

Zugegeben, auf dem Pausenbrot war das Kraut immer eine ziemlich schmierige Angelegenheit und zur Pause fand sich das meiste Kraut dann nicht mehr auf dem Brot, sondern in der Brotdose, die heute irgendwie jeder Bento-Box nennt. Aber das war gar nicht mal so ein Problem. Man konnte sich verlaufenes Kraut auch mit dem Brot aus der Dose kratzen und zur Not gabs dafür ja auch immer noch die Finger.

Fruchtkraut

Meine Großeltern hatten ihrerseits noch etwas entferntere Verwandtschaft, welche nahe der holländischen Grenze einen kleinen, aber feinen Bauernhof hatte. Und dort wurde zumindest über ersten grob zehn Jahre meines Lebens noch selbst Kraut gekocht, wozu wir ab und an und doch leider viel zu selten eingeladen waren.

Dort allerdings hat man keine Rüben zu Kraut verkocht, sondern Obst aus dem eigenen Hofgarten. Mein persönlicher Favorit war Birnenkraut. Aber davon gab es immer nur wenig, hatte es in dem Garten doch nur zwei Birnenbäume. Den dominierenden Anteil machte Apfel- und Pflaumen- (Zwetschgen-) Kraut aus.

Apfelkraut konnte ich allerdings nie wirklich genießen. Davon habe ich in kurzer Zeit immer eine dicke Lippe bekommen. Im wörtlichen Sinne, nicht im übertragenden, denn ich bin, solange ich denken kann, stets gegen irgendwas in Äpfeln allergisch gewesen. In einen Apfel beißen war für mich zumeist undenkbar. Einzig auf sehr feste und eher saure Sorten wie „Granny Smith“ habe ich anfangs nicht reagiert. Mittlerweile scheiden aber auch die für mich aus.

Pflaumen

Also musste ich mich an Pflaumenkraut halten, was den zweitgrößten Anteil beim Krautkochen auf dem Hof ausmachte. So sehr ich Grafschafter für ihr Rübenkraut liebe, kommt ihr Pflaumenkraut doch nicht ansatzweise an das dort im kleinen selbstgekochte Kraut heran.

Eigentlich ist im Grafschafter1Grafschafter – zuletzt abgerufen am 30.09.2023 das Gleiche drin und auch das Herstellungsverfahren ist das Gleiche, wenn auch um einiges größer. Dennoch fehlt mir da irgendwas und ich kann nicht mal sagen, was. Vielleicht hat der alte Bauer noch irgendwas mit rein gemischt. Vielleicht ist es aber auch nur der Umstand, dass ich alle zwei, drei Jahre beim Machen helfen durfte.

Wobei sich meine Hilfe eigentlich darauf beschränkte, ab und an was Holz ins Feuer nachzulegen und die Reste der ausgepressten Früchte an die fünf Kühe des kleinen Hofes zu verfüttern, die sich da genauso genussvoll drüber hergemacht haben, wie ich mich übers fertige Kraut. Vor allem die Apfel- und Birnenreste haben sich bei dem Mädels großer Beliebtheit erfreut.

Mehr hätte ich damals allerdings auch nicht helfen können. Denn die erforderlichen Arbeiten sind selbst für einen erwachsenen Mann, in seiner Eigenschaft als Kleinbauer nun wirklich kein Hänfling, echte Schwerstarbeit.

Schöne Erinnerungen

Nun ja, der Hof war klein und entsprechend auch der Hofgarten. Alle Krautsorten aufsummiert, waren da nach drei Tagen Schwerstarbeit so um die 60 Kilo Kraut in den großen Steinzeugtöpfen die finale Ausbeute. Da der Bauer neben dem Eigenbedarf für seine Familie und seinen Helfer das meiste davon im nahen Dorf und der Umgebung davon verkaufte, konnten wir am Ende nur ein klein wenig davon für uns mitnehmen.

Immerhin bekam jeder meiner Großeltern und Eltern ein Pfund vom Apfelkraut und ich zumindest ein halbes Pfund vom Pflaumenkraut. Von meinem Favoriten, dem reinen Birnenkraut, gab es wie schon gesagt, ohnehin nicht viel und das wenige, was es gab, war zumeist schon vor der Fertigstellung verkauft. Doch ein, zwei Mal durfte ich mir immerhin mit dem Löffel ein paar Reste vom Rand des großen Kupferkessels kratzen – Göttlich.

Ein Mal allerdings habe ich zwei Pfund davon für mich ganz allein bekommen. Das war des alten Bauern Geschenk zu meiner Kommunion. Kein anderes Geschenk konnte meine Freude darüber toppen. Nicht mal meine erste eigene Kamera, die ich damals auch bekam.

Hätte ich damals schon gewusst, dass der Bauer bald darauf seinen Helfer verlieren und nur knapp ein Jahr später seinen Hof muss und dass er und seine Frau in weniger als zwei Jahren danach, kurz nacheinander sterben, ich hätte es mir wohl besser eingeteilt und nicht so genüsslich verschlungen.

Wunderbare Doku

Vor knapp zwei Jahren hat mir Youtube mal den LVR-Kanal zu Alltagskulturen im Rheinland als für mich interessant vorgeschlagen. Ein Vorschlag, der wirklich mal voll ins Schwarze getroffen hat, habe ich mich doch seither vielfach an den wunderbaren, alten, teils noch schwarz-weißen Dokus erfreut.

Noch mehr gefreut habe ich mich als in den Videos des Kanals auch eines zum bäuerlichen Krautkochen auftauchte.

Keine Ahnung, wie oft ich mir dieses kleine Filmchen in den letzten Jahren schon angeschaut habe. Es müssen locker zwanzig Mal gewesen sein, enthält es doch so viel vertrautes. Die Feuerstelle im Scheunenboden, in der ich immer Holz nachlegen durfte, der große Kessel, wenngleich der bei unserem Bauern ganz aus Kupfer war und die alte Handpresse. Den kleinen Handkran gab es „bei uns“ damals nicht mehr. Da hatte man schon einen elektrischen Kettenzug. Und bei jedem Ansehen des Videos steigt mir auch heute immer noch dieser süßliche Duft in die Nase. Einfach herrlich.

Grafschafter

Als kurz nach diesem Video auf dem Kanal dann noch ein altes Video zur industriellen (Rüben-) Krautherstellung bei meinem heute noch geliebten „Grafschafter“ auftauchte, war ich vollends hin und weg von dem Kanal.

Auch dieses Video zur Herstellung meines Lieblings-Brotaufstrichs und einer meiner liebsten Koch- und Backzutaten, ist einfach nur sehenswert.

Wenn am Ende diese kleinen gelben Töpfchen vom Band laufen, die nun schon seit einem halben Jahrhundert auf jedem Frühstückstisch bei mir stehen, bin ich jedes Mal hin und weg.

Ich hoffe, dass diese Firma mich überlebt. Denn ich mag mir gar nicht vorstellen, eines Tages einen Frühstückstisch ohne diesen schwarzen, süßen Saft zu haben, weil es Grafschafter nicht mehr gibt …

Einzelnachweise und Links